08.10.2020
Ulrich Busch

Vorwort zu: Geldkritik Theorien – Motive – Irrtümer

Bei nachfolgendem Text handelt es sich um das Vorwort zum Buch "Geldkritik Theorien – Motive – Irrtümer"

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Bücher, die das Geld zum Gegenstand haben oder Fragen des Geldes behandeln, gibt es en masse. Dabei ist es unerheblich, ob das Geld als gesellschaftliches Verhältnis oder als Institution, als Instrument der Politik und der Machtausübung oder als Mittel der Wirtschaftslenkung und des Managements behandelt wird, ob als Recheneinheit, Mittel des Gütertauschs und der Wertaufbewahrung oder als Instrument des sozialen Ausgleichs bzw. der sozialen Spaltung, als Repräsentant und Symbol des allgemeinen Reichtums oder als Mittel der Bereicherung, als Kategorie der Kommunikation, der sozialen Bindung oder Distinktion: Es sind Geld-Bücher. Die Erörterung der Geldthematik erfolgt in ihnen aus philosophischer, ökonomischer, soziologischer, wirtschaftshistorischer, anthropologischer, kulturhistorischer, ethischer, psychologischer, finanzsoziologischer, religions- und politikwissenschaftlicher Perspektive. Darüber hinaus gibt es eine Fülle volks- und betriebswirtschaftlicher Lehrbücher, finanzwirtschaftlicher Fach- und Sachbücher, eine Vielzahl von Nachschlagewerken und Ratgebern zum Umgang mit Geld, zur rentierlichen und vermeintlich sicheren Geldanlage, zum finanziellen Investment sowie zum richtigen Geldgebrauch. Nicht zu vergessen die umfangreiche münzhistorische und numismatische Literatur. Oftmals ist aus dem Titel eines Buches nicht genau zu entnehmen, in welche Rubrik es letztlich gehört. So tragen bedeutende wissenschaftliche Werke über monetäre Themen Titel wie „Of Money“, „On Money“, „Della Moneta“, „Das Geld“, „Vom Geld“, „Über Geld“ oder einfach „Geld“. Ebenso aber sind Werke der schönen Literatur mit „L’Argent“, „Das Geld“, „Geld und Geist“ oder „Geld bringt Geld“ betitelt. Diese Aufzählung ist bei Weitem nicht vollständig. Der Fundus an Quellen und Literatur über Geld und Fragen des Geldes ist unübersehbar, sofern die Thematik in voller Breite angesprochen wird. Werke, die der Jahrtausende umspannenden Geschichte des Geldes, der Theoriegeschichte wie der Wirtschafts-, Geistes- und Sozialgeschichte, gewidmet sind, füllen ganze Bibliotheken. Gleiches gilt für die geld- und währungspolitischen Analysen einzelner Zeiträume, Staaten und Regionen.

Grenzt man den Bereich der Recherche jedoch ein, zum Beispiel auf Literatur, die der Liebe zum Geld oder dem Hass auf dasselbe gewidmet ist, so erweist sich die Quellenlage als weniger üppig und eher überschaubar. Ähnlich verhält sich dies, wenn man das Thema nur von einer Seite aus angeht und seine Behandlung einer besonderen Fragestellung unterwirft. Eine solche ist die Geldkritik. Die Konzentration der Analyse auf diese Fragestellung und die Erörterung des Themas nur unter diesem einen Aspekt, der Auseinandersetzung mit den sozialen, ökonomischen, geistigen, psychologischen usw. Wirkungen des Geldes und den Reaktionen hierauf, reduziert das zu behandelnde Problem auf einen vielleicht zu bewältigenden Umfang. Eine weitere Reduktion der Komplexität wird dadurch erreicht, dass der geografische und zeitliche Rahmen der Analyse auf Europa bzw. Deutschland und auf die rund zweieinhalb Jahrtausende von der klassischen Antike bis heute eingegrenzt wird. Eine derartige Vorgehensweise erlaubt es, anhand ausgewählter Quellen dezidiert danach zu fragen, in welchem sozioökonomischen und theoriehistorischen Kontext die aufgefundene Geldkritik jeweils steht, worin ihre Motive zu sehen sind und ob es hier neben zutreffenden Positionen, Ansichten und Urteilen nicht auch zu Fehlurteilen und Irrtümern gekommen ist. Da sich diese teilweise bis heute erhalten haben, ist es nicht uninteressant, ihren Ursprüngen nachzugehen und bestimmte, sich hartnäckig über die Zeit gehaltene Ansichten über Geld, Geldgeschäfte, Gelddenken usw. als historische Irrtümer zu entlarven. Die Ausführungen hierzu verstehen sich folglich als eine Metakritik des Geldes, als eine Kritik der Kritik.

Mit dem vorliegenden Buch wird versucht, das Problem der Geldkritik unter Inkaufnahme einer eurozentristischen Eingrenzung und Fokussierung aus einer überwiegend ökonomischen Perspektive zu diskutieren. Dabei wird das Thema innerhalb des gesetzten Rahmens relativ breit angegangen. Dies unterscheidet die vorliegende Arbeit von einigen anderen Ausarbeitungen. So kennt die verdienstvolle Studie von Wilhelm Weber zum Beispiel nur fünf Formen einer Geldkritik: die ethisch-religiöse, die utopisch-sozialistische, die marxistisch-sozialistische, die psychologische und die moderne Kritik an der „hypertrophen Geldwirtschaft“ des Finanzkapitalismus.[1] Ein Blick in das Inhaltsverzeichnis dieses Buches lässt dagegen ein breiteres Spektrum geldkritischer Bezüge erkennen. Der von mir verfolgte Ansatz entspricht zwar vom Grundsatz her dem Vorgehen von Weber, fasst die Kritik jedoch weiter, indem hierin auch Auffassungen, wonach die Funktionsweise des Geldes reformerisch eingeschränkt, seine Logik durchkreuzt oder seine Wirkungen reduziert werden sollten, Berücksichtigung gefunden haben. Zudem wird zwischen theoretischer und praktischer Geldkritik unterschieden, so dass die historisch nachweisbaren Versuche einer Abschaffung des Geldes ebenfalls als Form einer Geldkritik gewertet werden. Unter diesem Aspekt hat das Experiment einer planmäßigen Geldwirtschaft im Staatssozialismus besondere Aufmerksamkeit verdient.

Wegen der disziplinär übergreifenden Relevanz, die dem Geldthema seit der Antike zukommt, erwies es sich als zweckmäßig, für die Erörterung der Probleme, die mit dem Auftreten des Geldes und der kritischen Auseinandersetzung mit ihm verbunden sind, nicht nur spezifisch-ökonomische Texte heranzuziehen, sondern auch auf philosophische, soziologische, psychologische, politische und andere Literatur zurückzugreifen. Diesem Anliegen dient auch der Einschub zeitgemäßer Aphorismen, Sentenzen und Zitate, welche die fachwissenschaftlichen Ausführungen ergänzen und die Lektüre auflockern sollen. Über all dem waltet selbstverständlich nicht das Prinzip der Abgeschlossenheit und Vollständigkeit. Vielmehr stellen die hier behandelten geldkritischen Positionen, Theorien, Argumente und Textauszüge nur eine begrenzte Auswahl dar. Im günstigsten Fall ist diese repräsentativ für die jeweilige Weltsicht, politische Haltung und Zeitperiode. Mitunter aber steht sie auch nur für ihren Autor oder eine bestimmte Schule.

Neben der überblickartigen Wiedergabe diverser theoriehistorisch klassifizierbarer Positionen, Theoreme und Auffassungen über Geld wurde in der vorliegenden Studie versucht, eine theoretische Erklärung für das Phänomen der Geldkritik zu formulieren. Dies erwies sich methodisch als notwendig, um der Darstellung einen Referenzrahmen zu geben und der Argumentation eine theoretische Basis. Dabei stützte ich mich, wie generell in dem Buch, auf ein geschichtsmaterialistisches Verständnis von Wirtschaft und Gesellschaft. Eine Konsequenz dieses Herangehens ist die methodologisch bedeutsame Differenzierung zwischen Geld und Kapital, wie sie von Karl Marx vorgenommen worden ist[2] und wie sie bis heute eine Rolle spielt. In dieser Betrachtung erscheint das „Geld“ als bloßes Geld und als potenzielles Kapital, nicht aber als eine Kategorie, die mit der Kategorie „Kapital“ identisch ist. Die terminologische Differenzierung zwischen „Geld“ und „Kapital“ sowie die Einsicht, dass Geld im Kapitalismus zu Kapital wird und im Reproduktionsprozess als solches fungiert, egal in welcher Form, erlaubt es, das Phänomen der Geldkritik, das seit der Antike den geldtheoretischen, -politischen und -ethischen Diskurs bestimmt, historisch und sozioökonomisch zu entschlüsseln. Hierin eingeschlossen ist eine Kritik des „linken“ Geldfetischismus, der die antikapitalistische Geld- und Gesellschaftskritik mitunter prägt und der eine wissenschaftlich begründete Kapitalkritik häufig verwässert und politisch fehlleitet. Die o. g. Differenzierung bildet aber auch die theoretische Grundlage für die Möglichkeit einer postkapitalistischen Gesellschaft unter Einschluss von Geld, was bei einer Identifizierung von Geld und Kapital ausgeschlossen ist. 

Der hier vorgelegte Text basiert auf einem Vortrag in der Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin „Helle Panke“ e.V. am 06. März 2017, der auf YouTube dokumentiert ist3 und in der Reihe „Philosophische Gespräche“4 veröffentlicht wurde. Am 23. Juni desselben Jahres wurde dazu im Arbeitskreis „Gesellschaftsanalyse“ der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin e.V. eine Diskussionsveranstaltung durchgeführt, deren Resultate in das Buch eingeflossen sind. Ich bedanke mich bei allen Diskutanten für ihre konstruktiven Hinweise. Mein besonderer Dank gilt meiner Gattin, Frau Dr. Sigrid Busch, für die Durchsicht des Manuskripts und ihre umsichtige Hilfe bei der technischen Fertigstellung des Buches.

[1] Wilhelm Weber: Geld, Glaube, Gesellschaft. Vortrag vom 20. Juni 1979. Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften. Vorträge G 239, Düsseldorf 1979.

[2] Karl Marx: Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, in: Marx/Engels: Werke (MEW), Berlin 1956ff., Bd. 42, S. 176.

 

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