31.03.2022
Rudolf Hickel

Unvermeidbar und verantwortungsvoll: Bundesregierung ruft Frühwarnstufe des Notfallplans Gas aus!

Der Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Robert Habeck, hat die Frühwarnstufe des Notfallplans Gas ausgerufen. Kaum in der Öffentlichkeit bisher wahrgenommen, die rechtliche Basis ist der sehr differenzierte „Notfallplan Gas für die Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 8 der VERORDNUNG (EU) 2017/1938 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 25. Oktober 2017 über Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Gasversorgung und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 994/2010 September 2019.

Für die Notfallpläne sind die drei Hauptkrisenstufen festgeschrieben:

  • Frühwarnstufe (Frühwarnung)
  • Alarmstufe (Alarm)
  • Notfallstufe (Notfall)

Sicherlich wird diese Entscheidung weitere Verunsicherung und Ängste auslösen. Mit populistischer Propaganda und Verständnis für Putins Vorgabe, die Gasrechnung per Rubel bezahlen zu müssen, ist zu rechnen.

Angesichts der aktuellen Krisenlage ist diese Entscheidung von hoher politischer Verantwortung geprägt. Gegenüber den diffusen Ängsten wegen zugedrehter Gashähne über die Pipelines aus Russland wird klar: Es gibt für den schlimmsten Fall der Gasabschaltung eine klare Strategie, in die die Unternehmen in der Wertschöpfungskette von Gas ab Deutschland bis zum Anschluss im Wohnhaus einbezogen sind. Dazu gehören in der Notfallstufe hoheitliche Maßnahmen zur „Sicherung des lebenswichtigen Bedarfs an Gas unter besonderer Berücksichtigung der geschützten Kunden und Minimierung der Folgeschäden“. Großflächige Abschaltungen würden die meisten Unternehmen etwa in der Chemie und Stahlproduktion sofort treffen. Obere Priorität haben die infrastrukturell systemnotwendigen Einrichtungen sowie die privaten Haushalte.

Beim Konflikt um die Sanktionen gegen den Einmarsch in die Ukraine nutzt Putin die hohe Abhängigkeit Deutschlands vom bisher nicht sanktionierten Gas (ca. 55%). Die Rechnung soll, so das Kommando aus Russland, in Rubel beglichen werden. Diese Einnahmen dienen der Stabilisierung der abgestürzten russischen Währung. Das sind nach den derzeitigen Bedingungen über 500 Mio. Euro Einnahmen aus den Gaslieferungen pro Tag für deren Finanzierung entsprechend Rubel nachgefragt werden müssen. Dies ist eine indirekte Kriegsfinanzierung, denn unmittelbar für die Finanzierung des Militärs benötigt Putin dieses Geld nicht. Das kann er mit der Notenpresse schaffen. Wie gesagt, es dient der Stabilisierung der Rubel-Währung. Dabei lässt sich der "Rubel auf dem Währungsmarkt" nicht so einfach einkaufen. Denn die Erdgaskäufer müssen den Rubel direkt bei der Russischen Zentralbank bzw. einer zugeordneten Stelle erwerben. Dafür sind auch Transformationskosten, die die russische Seite bestimmt, zu leisten.

Hier zeigt sich, dass der aktuell militärische Konflikt in der Ukraine auch ein Krieg um das aktuelle Währungssystem ist. Vermutet wird, dass der Rubel Teil eines neuen Währungskorbes wird, der später im Welthandel eine Rolle spielen könnte.

Die EU hat Putin eindeutig mitgeteilt, die Vertragsbedingung Gas gegen Euro müsse eingehalten werden. Würde diesem Grundsatz nicht gefolgt, würde die Sanktionspolitik durch die täglich fließenden Staatseinnahmen konterkariert. Putins Reaktion mit dem Stopp der Gaslieferungen, die nicht in Rubel bezahlt werden, ist ernst zu nehmen. Dabei kalkuliert er mit der Tatsache, dass es eine zügig umsetzbare Alternative zum Gas derzeit nicht gibt.

Derzeit gibt es noch keine Engpässe bei der Gasversorgung in Deutschland. Allerdings wächst das Eskalationsrisiko durch Putin. Deshalb braucht es dieses stufenweisen Notplans. Das Frühwarnsystem einzusetzen, schafft die Möglichkeit, auch über Maßnahmen des Worst-Case-Szenarios vorausschauend zu kommunizieren.