18.12.2023
Rudolf Hickel / Weser Report

Schuldenbremse ausbremsen – Beispiel Bremer Haushalt

Leicht gekürzt erschienen im: Weser Report vom 17.12.2023

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1. Die bitteren Folgen des Karlsruher Donnerschlages

Das Grundgesetz verbietet mit der 2009 eingeführten Schulden­bremse den Ländern komplett und dem Bund jenseits der zulässigen strukturellen Verschuldung (0,35% des Bruttoinlandsproduktes) die Aufnahme von Krediten zur Finanzierung von Zukunftsinvestitionen. Obwohl es sich um gesamtgesellschaftlich rentable Investitionen für nachfolgende Generationen in den ökologisch fundierten Wohlstand handelt, wird heute deren Finanzierung auf Steuererhöhungen und/oder Ausgabenkürzungen reduziert. Dabei steigt der investive Fi­nanzierungsbedarf des Staates durch die sich wechselseitig verstär­kenden Mehrfachkrisen wie Coronakrise, Ukraine-Krieg, Energiekrise und die Inflation – und all das überlagert durch den Klimanotstand. Dieser fiskalische Druck hat die Flucht aus dem Verschuldungsverbot beschleunigt. Ausgangspunkt sind die beiden Ausnahmen „Naturka­tastrophen“ und „außerordentliche Notlagen“ Dieser durch die fiska­lische Not getriebenen Schuldenpraxis hat das Bundesverfassungsge­reicht am 15. November 2023einen Riegel vorgeschoben. Anlass war die Trickserei des Bundes per Verschiebung von 60 Mrd. € aus den Corona-Nottöpfen in den „Klima- und Transformationsfonds“.  Weit über den Anlass hinaus erklärt dieses Urteil alle staatlichen Fonds mit Kreditermächtigungen für mehrere Jahre für verfassungswidrig. Ge­gen diese „Schulden auf Vorrat“ für mehrere Jahre besteht das Ver­fassungsgericht jenseits der ökonomischen Vernunft auf dem Prinzip: Kreditmittel lassen sich zur Finanzierung der Maßnahmen infolge der „außerordentlichen Notlage“ ausschließlich für das jeweilige Haus­haltsjahr einsetzen. Daher müssen beim Bund der „Klima- und Trans­formationsfonds“ und der „Wirtschaftsstabilisierungsfonds“ aufgelöst werden. Aber auch viele Bundesländer sind mit ihren vergleich­baren Fonds betroffen. In Bremen steht der auf den soliden Ergebnis­sen ei­ner Enquetekommission, die einen Gesamtbedarf zwischen 6 und 7 Mrd. € ermittelt hatte, vorgelegte Klimafonds. Dafür sind 2,5 Mrd. € an Kreditermächtigungen bis 2027 und einer Tilgung über 30 Jahre ab 2028 vorgesehen worden.

2. Die zukunftsbremsende Schuldenbremse seit 2009 ist das Problem

Diese entwicklungsblockierende Schuldenbremse ist mittlerweile auch international heftig umstritten. Dabei hat das Bundesverfas­sungsgericht allerdings sehr engstirnig nur das interpretiert, was seit 2009 in der Verfassung steht. Jetzt stellt sich die Aufgabe, aus den unübersehbaren Fehlentwicklungen durch dieses Verschuldungsver­bot die Kreditaufnahme im Grundgesetz neu zu regeln. Dabei bleibt es bei dem schon vor 2009 geltenden Verbot, öffentliche Konsumaus­gaben mit Schuldtiteln zu finanzieren. Bei den öffentlichen Investitio­nen wird dagegen wieder zu der zuvor geltenden „goldenen Regel“ zurückgekehrt: Der Einsatz von investiven Krediten ist sinnvoll. Im Kampf ge­gen die Klimakrise wird heute für die nachfolgenden Gene­rationen das Erbe eines klimaneutralen Wohlstands erzeugt. Gegen­über den durch Nichtstun entstehenden, kaum noch beherrschbaren Kosten schlagen die künftig jährlichen Zinszahlungen und Tilgun­gen kaum zu Buche. Sie werden aus dem dann ökologisch fundierten Wohlstand finanziert werden.

3. Die Bremische Bürgerschaft hat adäquat reagiert

Diesem Beitrag zur Generationengerechtigkeit aus der heutigen Kli­makrise heraus ist der Klimafonds mit 2,5 Mrd. € im Land Bremen ge­folgt. Mit dem neuen Nachtragshaushalt ist hier das Urteil des Bun­desverfassungsgerichts umgesetzt worden. Vorgesehen sind 362 Mio. € Kreditaufnahme für dieses Jahr. Allein schon wegen der Fortsetzung der Projekte gegen den Klimanotstand, die sich nicht in einem Jahr abwickeln lassen, gilt für 2024 die „außerordentliche Notlage“. Bre­men argumentiert mit dem „Klimanotstand“, den übrigens das Bun­desverfassungsgericht grundsätzlich nicht angezweifelt hat.

4. CDU Bremen in der Verantwortung

Wie sollte die Bremer CDU nach der Anpassung des Landes Bremen an das Urteil aus Karlsruhe mit ihrer Verfassungsklage gegen den ers­ten Nachtragshaushalt mit 3 Mrd. € beim Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen umgehen? Gegen das allerdings nahelie­gende machtpolitische Auskosten der Klage steht die Tatsache, dass die CDU aus Karlsruhe auch recht bekommen hat. Die Klage zurückzu­ziehen verdiente gesamtpolitische Anerkennung. Weiterer Klärungs­bedarf besteht: Die CDU hat in der Bürgerschaftswahl gegen den ge­planten Klimafonds per Nachtragshaushalt mit der Auflage einer „Kli­mananleihe“ geworben. Steht die CDU noch zu diesem Vorschlag?
O­der haben sich die offensichtlichen Risiken dieser über die „BAB Bre­mer Aufbau-Bank“ gemanagten Anleihen herumgesprochen? Um sinnvollen Projekte des vorliegenden „Klimafonds“, auf den die CDU durch den Vorsitz der Enquete­kommission konstruktiv Einfluss neh­men konnte, zu realisieren, braucht es jetzt den übergreifenden Schulterschluss der demokratischen Parteien.

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