11.10.2023
Rudolf Hickel

Nobelpreis für Ökonomie 2023 an Claudia Dale Goldin

Pionierin in der Aufdeckung struktureller Benachteiligung von Frauen in der Arbeitswelt

In diesem Jahr geht der Nobelpreis für Ökonomie im Gedächtnis an Alfred Nobel an die an der Harvard Universität aktive Wirtschaftswissenschaftlerin Claudia Dale Goldin (1947 in New York City). Neben vielen anderen Themen, wie etwa zur Sklavenarbeit, ist sie die Pionierin der Aufdeckung von Ursachen und Folgen der systematischen Benachteiligung von Frauen auf den Arbeitsmärkten. So untersuchte sie die über 200 Jahre lange Geschichte der Be­nachteiligung von Frauen auf dem US-Arbeitsmarkt. Mit empirisch-mathemati­scher Inbrunst hat sie Datenmengen geniert und die Schlussfolgerungen belegt: Zum einen sind die Löhne der Frauen bei wachsender Wirtschaftskraft gegen­über Männern geringer gestiegen (Pay Gap). Zum anderen kommen Frauen am Arbeitsmarkt weniger zum Zuge und sind daher stärker durch Arbeitslosigkeit betroffen.  Ein wesentliches Ursachenbündel sieht Goldin in der Tatsache "dass die Wahlmöglichkeiten von Frauen häufig durch die Ehe und die Verantwortung für Haushalt und Familie eingeschränkt waren und sind". In ihrem Buch „Under­standing the Gender Gap: An economic History of American Women“ von 1990 (siehe Grafik unten) geht sie auch den Gründen der frauendiskrimi­nierenden Einkommens- und Beschäftigungsgeschichte nach  Mit ihrem Mann L.F. Katz zusammen zeigt sie 2002 wie durch die Antibaby-Pille das Bildungs­niveau der Frauen und damit die Berufschancen in den USA  gestiegen sind („Die Macht der Pille: Orale Kontrazeptiva und Karriere- und Heirats­entscheidungen von Frauen“ (The Power oft he Pill: Oral Contraceptives and Women´s Career und Marriage Decision“).

  • Das Experiment: Zur Benachteiligung der Auswahl von Frauen für die Or­chesterarbeit
  • Beobachtung: Deutlich weniger Frauen spielen vor allem in großen Orchestern. Verbirgt sich dahinter eine Benachteiligung von Musikerinnen? Folgendes Ex­peri­ment belegt die Antwort: Ja! Beim Vorstellungsspiel wurde die Auswahl­kommis­sion von der Musikerin durch einen Vorhang getrennt.
  • Ergebnis: Die Zahl der ausgewählten Frauen fiel höher aus.

Die Sprengkraft ihrer Forschungsergebnisse ist derart groß, dass Goldin diese vorsichtig, zurückhaltend vorträgt. Jedenfalls hat sie den neoliberalen Mythos von der diskriminierungsfreien Konkurrenzwirtschaft gründlich widerlegt. Die vorherrschende Wirtschaftswissenschaft ist gut beraten, die Forschungsergeb­nisse auch in der Lehre aufzunehmen. Denn der Markt reguliert die Entlohnung nicht nur nach der Leistung bzw. Produktivität der Arbeit. Diskriminierung ge­genüber Frauen bei­spielsweise bei der Entlohnung (Pay-Gap) als Gewinnbetrag sind Realität. Die Nobelpreisträgerin macht Mut im Kampf gegen den Abbau von Diskrimi­nierung. Ihre Forschungsergebnisse sollten endlich in die allgemei­nen Lehrbü­cher und auch in das wirtschaftswissenschaftliche Studium aufge­nommen wer­den. Die empirischen Analysen basieren auf Datenmaterial zur USA, sind jedoch grundsätzlich auch für Deutschland relevant. Immerhin hat sie 2016 vom Institut zur Zukunft der Arbeit IZA in Bonn den „Prize in Labor Eco­nomics“ erhalten.

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