04.06.2025
Rudolf Hickel

Risiken reduzierter Unternehmenssteuern

Rudolf Hickel Nov. 2023

Investitionsbooster: Risiken der steuerpolitischen Offensive für Un­ternehmen

Dem Doppel-Wumms der gescheiterten Rot-Grün-Gelb-Koalition folgt durch die Merz-Klingbeil-Regierung der radikale Wechsel zum steuer­poli­tischen Investitionsbooster. So will es der erste Gesetzentwurf von Finanzminister Lars Klingbeil.

Die Maßnahmen des Steuerverzichtsprogramms für Unternehmen

Ab dem 1. Juli können bis Ende 2027 die Unternehmen, die nicht in Grund, Boden und Gebäude, sondern in die be­triebli­chen Produkti­onsanlagen investieren, vom 1. Juli bis Ende 2027 ihre zu ver- steuernden Gewinne um die Abschreibungen verringern. Diese Steu­erentlastung für Unternehmen in der Gewinn­zone soll ab 2028 durch eine in fünf Schritten geplante Senkung der Steu­ersätze auf Kapital­gesellschaften von derzeit 15% auf 10 % voll­endet wer­den. Auch die Gewinne, die im Betrieb für Sachinvestitio­nen bleiben, werden laut dem Gesetzentwurf in drei Schritten von 28,5% auf 25% gesenkt. Schließlich gibt es für Betriebe, die Elektroau­tos anschaffen, einen Sonderbonus per Abschreibungen allein im ers­ten Jahr mit 75% der Anschaffungskosten.  Übrigens sind von diesem E-Auto­booster die privaten Haushalte ausgeschlossen.

Diese Hau-Ruck- Bundesregierung glaubt im Streit um das, was gegen die „strukturelle Wachstumsschwäche“ (Friedrich Merz) zu tun ist, eine Lösung gefunden zu haben:  Die Steuern der Unternehmen seien zu hoch und deshalb die Investitionsrendite zu niedrig. Wieder­belebt wird der Steuermythos: Niedrige Steuersätze für Unterneh­men erhö­hen über ausgelöste Investitionen und damit steigendes Wirtschafts­wachstum die Einnahmen in den staatlichen Kassen. Die Rede ist von Selbstfinanzierung dieser Steuersenkungspolitik für Un­ternehmen. Ein Blick auf die Erfahrungen mit dieser Steuerillusion hätte die Bun­desregierung eines Besseren belehrt. Schon einmal ist mit einer gleichgerichteten Unternehmenssteuersenkung ab 2001 Deutschland der wirtschaftliche Aufschwung ausgeblieben. Die Folge waren eine fiskalische Haushaltsnotlage und schließlich steigende Staatsschul­den.

Die drei Risiken des Pakets unternehmerischer Steuersenkungen

Über die Risiken dieses „Gesetzes für ein steuerliches Investitionspro­gramm“ muss bei der Suche nach einem Konzept für eine zukunfts­stär­kende Wirtschaft im ökologischen Umbau gestritten werden. Da­bei stehen die drei Risiken im Vordergrund:

  • Übersehen wird oft, von den Sonderabschreibungen mit 30 % profi­tieren nur die Unternehmen, die auch Gewinne erzielen und damit durch Abschreibungen diese Netto erhöhen können. Gerade die vie­len Unternehmen, die sich derzeit unverschuldet wegen der Mehr­fachkrise in der Verlustzone bewegen, profitieren nicht von diesem Steuervorteil. Ihnen wird mit dem geplanten Sofortprogramm nicht geholfen. Darüber hinaus ist diese Abschreibungspolitik in der mitt­le­ren Frist riskant. Wer heute mehr an Anschaffungskosten ab­schreibt, der kann in späteren Jahren nur noch weniger für die Steu­ersenkung beanspruchen. Sollte der Investitionsbooster nicht wirken, wird der Steuervorteil in der möglicherweise folgenden Phase wirtschaftlicher Wachs­tumsschwäche praktisch verschwinden.
  • Im Gegensatz zur Behauptung von zu hohen Unternehmenssteuern wird die Wirtschaft unter dem Regime der Mehrfachkrise belastet. Unternehmen fehlt planbare Nachfrage in der Binnen- und Export­wirtschaft. Die Exportwirtschaft leidet derzeit weniger an einer zu ho­hen Steuerlast als unter den Risiken des wachsenden Protektionis­mus nicht nur in den USA. Insbesondere die energieintensive Wirt­schaft ächzt unter den im internationalen Vergleich sehr hohen Ener­giepreisen. Auch sorgt die neue Bundesregierung bei den Großpro­jekten für die ökologische Transformation mit ihrer Politik des er­kennbaren Still­stands für eine gefährliche Planungsunsicherheit.
  • Die fiskalischen Risiken dieser Steuerpolitik sind über ihre Beteili­gung an den gesamten Steuern für den Bund, die Länder und die Ge­meinden kaum beherrschbar. Im Entwurf zum Gesetz werden die Steuerausfälle bis 2029 auf 46 Mrd. € hochgerechnet. Der Wider­stand der Länder zusammen mit den Kommunen ist vorprogram­miert.

Deutschland braucht ein Sofortprogramm für öffentliche Investitio­nen

Was hat jetzt Vorrang im Kampf gegen die anhaltende Wirtschafts­flaute? Die Gesamtwirtschaft braucht jetzt ein Sofortprogramm für öffentliche In­vestitionen durch den Bund mit flankierenden Unter­stützungsmaßnahmen für die Unternehmen und private Haushalte. Dazu steht das über Kre­dite zu finanzierende Sondervermögen „Infra­struktur“ mit insgesamt 500 Mrd. € prinzipiell zur Verfügung (davon 100 Mrd. € für die Bundesländer und 100 Mrd. € für den bereits exis­tierenden „Klima- und Transformationsfonds“). Deshalb muss das er­forderlich Umsetzungsgesetz zu diesem Sondervermögen mit Vorrang verabschiedet werden. Die Investi­tionsprojekte, die bisher nur noch an der Fi­nanzierung gescheitert sind, lassen sich unverzüglich umsetzen. Weil bereits geplant, aber noch nicht realisiert, fallen diese durchaus unter das Prinzip der Zu­sätzlichkeit. Hinzukommen müssen speziell gezielte Sofortmaßnah­men etwa für die energieintensive Industrie sowie ein Klimageld vor allem für die durch den ökologischen Umbau belasteten einkom­mensschwachen Haushalte.



 

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