14.08.2019
Rudolf Hickel

Soli-Ergänzungsabgabe solidarisch nutzen

Beim Streit um den Soli-Zuschlag geht es schon lange nicht mehr um die Frage, ob nach seiner Einführung 1991 der Bund diese Ergänzungsabgabe zur seriösen Finanzierung des „Aufbaus Ost“ künftig noch benötigen wird. Die Profilierung der CDU/CSU als Steuersenkungspartei bestimmt die Debatte. Da der Soli auf einer solidarisch-gerechten, progressiven Belastungsverteilung basiert, wären die Spitzenverdiener die Gewinner. Denn diese Abgabe wird nicht auf das zu versteuernde Einkommen, sondern die Steuerschuld bezogen. Je größer die Einkommenssteuerschuld, umso höher fällt die darauf bezogene Steuer mit dem Satz von 5,5 Prozent aus. Deshalb finanzieren nach einer Schätzung zum Jahresaufkommen von 2017 mit knapp 18 Mrd. Euro die 20 Prozent Einkommensstärksten mit 14 Mrd. Euro 78 Prozent das Aufkommen.

Wie geht die SPD mit der Steuersenkungsattacke ihres Koalitionspartners um? In den Verhandlungen zur GroKo bestand die SPD darauf, den Soli abzuschaffen, aber sein Volumen von knapp 20 Mrd. Euro entsprechend der bisherigen progressiven Belastung in den obersten Bereich der Einkommensbesteuerung mit einem höheren Spitzensteuersatz zu integrieren. Allerdings, von diesem Prinzip, die Einnahmesumme aus dem Soli steuergerecht über die Einkommensteuer zu erhalten, hat sich die SPD bereits in den GroKo-Verhandlungen abbringen lassen. Geboren wurde ein fragiler Kompromiss. Ab 2020 soll nur die Hälfte, also ca. 10 Mrd. Euro gestrichen werden. Die Bezahlung der verbleibenden 10 Mrd. Euro konzentriert sich auf die Spitze der Einkommenspyramide.

Der jetzt vorgelegte Gesetzentwurf aus dem Hause von Olaf Scholz sieht vor: Ungefähr 90 Prozent werden vom Soli komplett befreit. Um den Schock der 10 Prozent, die dem Soli weiterhin unterliegen, abzufedern, gibt es eine „Milderungszone“, innerhalb derer stufenweise die volle Belastung bis 5,5 Prozent erreicht wird. Zwei Beispiele aus den  Berechnungen des Ifo-Instituts zeigen: Alleinverdiener-Paare ohne Kinder profitieren von der größten Entlastungswirkung bei 140 000 Euro Jahresbruttolohn mit einer jährlichen Steuerersparnis von 1 713 Euro. Bei einer Familie mit zwei Kindern und einem Alleinverdiener wird erst ab einem Jahresbruttolohn von 221.375 Euro die Ergänzungsabgabe erhoben. Von 151 990 Euro an greift eine Gleitzone, in der die volle Besteuerung abgemildert wird. Insgesamt werden dadurch ca. 96,5% Prozent voll oder teilweise entlastet. 3,5 Prozent der Verdiener an der Einkommensspitze finanzieren nach dem Prinzip der progressiven Belastung die geplanten 10 Mrd. Euro allein.

Was als SPD-Sieg in der Kompromissbildung angeboten wird, ist am Ende eine Niederlage für eine gerechte Integration des Solis in die Einkommensteuer. Mit Klagen der verbleibenden Soli-Steuersubjekte gegen diesen Torso ist zu rechnen. Übrigens fällt auf, dass die Totalabschaffer und Halbierer des Soliaufkommens bisher auf eine Einordnung in den Gesamthaushalt mit zu erwartenden zusätzlichen Umweltausgaben bei gleichzeitigem Festhalten an der Nullverschuldung verzichten. Am Ende drohen durch staatliche Einnahmeverluste Kürzungen im Sozialsystem.

Wundersam ist, dass dieser Reste-Soli nicht mehr an die besonderen Finanzierungsbedürfnisse im Sinne einer Ergänzungsabgabe nach Art. 106, 6 GG gekoppelt ist. Unter Verzicht auf die Steuersystematik wird also eine allgemeine Zusatzsteuer zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben kreiert. Als der Soli 1991 übrigens nur für ein Jahr eingeführt wurde, da konnte die Bundesregierung auf drei besondere Gründe für die ansonsten klamme Bundeskasse verweisen: der zweite Golfkrieg (mit 17 Mrd. DM), Unterstützung der Länder Mittel- Ost- und Südeuropa nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und vor allem die Finanzierung zum „Abbau der teilungsbedingten Lasten“. 1995 wurde schließlich der Soli unbefristet zur Finanzierung des „Aufbau Ost“ als zusätzliche Daueraufgabe des Bundeshaushaltes beschlossen. Das Aufkommen stand dem Solidarpakt I und Solidarpakt II, die über 250 Mrd. Euro beanspruchten, zur Verfügung. Diese Begründung des Solis gilt schon längere Zeit nicht mehr. Ab 2020 sind die Länder und Kommunen Ostdeutschlands im reformierten System des föderalen Finanzsystems integriert.

Es gibt nur die klare Alternative, zurück zur ursprünglichen Forderung der SPD. Das Aufkommen aus dem bisherigen Soli mit 20 Mrd. Euro wird in die Einkommensteuer auf der Basis progressiver Lastverteilung integriert. Im Zuge der Verrechnung des gestrichenen Solis sollte die SPD mutig den Verlauf der Einkommensbesteuerung für die Besserverdienenden durch die Erhöhung der bisherigen Spitzensteuersätze anstreben. Eine von Stefan Bach vorgeschlagene Variante lautet: Ab dem heutigen Spitzensteuersatzmit 42% bei 55 961 Euro zu versteuerndem Jahreseinkommen (Ledige) wird eine dritte Zone linearer Progression bis 44 % bei 62 000 Euro eingeführt. Die nachfolgende, heutige „Reichensteuer“ springt ab derzeit 265 327 Euro von 45 auf 47%.

Gegenüber dem Soli profitieren über den geltenden Verteilungsschlüssel der Einkommensteuer der Bund, die Länder (jeweils 42,5 Prozent) und die Kommunen (15 Prozent).

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